ALCA / FTAA: Wenn Konzerne Staaten verklagen können

USA will wollte weltweit grösstes Freihandelsgebiet errichten, skandinavische Gruppen unterstützen den Widerstand in Lateinamerika

Wie genmanipulierte Lebensmittel exportieren, obwohl sie in anderen Ländern verboten sind? Kein Problem: Man errichtet das grösste Freihandelsgebiet der Welt. Mehr Macht dem Markt und weniger staatlicher Einfluss. Fort mit nationalen Bestimmungen wie Umwelt- und Sozialstandards, wenn sie der Profitmaximierung im Weg stehen. Das ist das Programm von Alca oder FTAA, dem geplanten weltweit grössten Freihandelsgebiet: 34 Länder sind dabei, 800 Millionen Menschen in ganz Nord- und Südamerika ausser Cuba.

Sowohl in Norwegen als auch in vielen anderen Ländern wächst die Skepsis gegenüber einer rein wirtschaftlich ausgerichteten Gesellschaftsentwicklung, wo Industriearbeitsplätze in Billiglohnländer ausgelagert werden, Postämter geschlossen werden und der öffentliche Sektor durch Privatisierungen geschwächt wird. Viele sind kritisch eingestellt gegenüber der Macht von EU, WTO und Grosskonzernen über die nationale Politik.

Rein ökonomisches Projekt

Doch die Entwicklung in Europa ist nicht zu vergleichen mit den Liberalisierungsbestrebungen in Lateinamerika, die dort viel weiter gehen. USA arbeitet seit 1994 in aller Heimlichkeit daran, das grösste Freihandelsgebiet der Welt zu errichten, wo alle Länder in Nord- und Südamerika von Alaska bis Feuerland (ausser Cuba) zu einem Markt vereint sind. Und im Gegensatz zur EU, die auch ein politisches und kulturelles Projekt ist, baut das amerikanische Abkommen nur auf rein wirtschaftlichen Motiven.

Alca soll ein Paradies für Investoren und multinationale Konzerne schaffen: Alle Handelshindernisse, die der Maximierung von Profit im Weg stehen, sollen entfernt werden: nicht nur Zölle, sondern auch Umweltstandards, Arbeiterrechte wie Mindestlohn etc. Freihandel soll der Ministererklärung von Quito im Herbst 2002 zufolge zu Wirtschaftswachstum führen, mehr Arbeitsplätzen und höherem Lebensstandard. Dahinter steckt die Überzeugung, eine vom Markt gesteuerte Wirtschaft sei das beste Rezept für eine Welt ohne Armut.

Alca ist die geplante Erweiterung von NAFTA, dem Freihandelsabkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko, das sich als Alptraum für Arbeiter, Landwirte, die breite Mittelklasse und die Natur erwiesen hat. In USA sind Hundertausende von Jobs verloren gegangen, nachdem Arbeitsplätze nach Mexiko ausgelagert worden waren. Mexiko profitierte davon nicht: Der Durchschnittslohn sank seit 1994 um 23%. Der gesteigerte Import von billigen subventionierten Getreide führte zu einem Preisverfall, der für viele Bauern der Ruin bedeutete, ein Grossteil von ihnen lebt jetzt unter der Armutsgrenze, viele wanderten in die Städte ab. Die verstärkte Konkurrenz aus dem Ausland schwächte die Gewerkschaften.

Umweltschutz als Handelshindernis

Der breite Widerstand gegen das Freihandelsabkommen baut auf der langjährigen Erfahrung mit der von der Weltbank diktierten neoliberalen Wirtschaftspolitik. Ausserdem kennt man ja die Folgen von Nafta in Mexiko. Wird Alca Wirklichkeit, wird die Möglichkeit, eine nationale Wirtschafts- und Sozialpolitik zu führen, stark eingeschränkt. Eine Spezialität aus dem NAFTA-Abkommen, das in Alca übernommen wird, ist der berühmte Artikel 11: Konzerne können Staaten auf Schadensersatz verklagen, wenn das nationale Regelwerk der Maximierung von Profit im Weg steht – wenn zum Beispiel ein Staat darauf beharrt, die Einfuhr von genmanipulierten Lebensmitteln zu verbieten. Im NAFTA-Gebiet mussten schon 15 mal Staaten gegenüber Konzernen klein bei geben. Mexiko musste einer amerikanischen Abfallexportgesellschaft 16,7 Millionen Dollar Entschädigung zahlen. Der Grund: Die Politiker einer mexikanischen Stadt wollten nicht Müll entgegennehmen. Die städtische Mülldeponie hatten sie geschlossen, weil sie die Wasserversorgen verschmutzt hatte.

Kein freier Handel

Das Alca-Abkommen wird den Druck auf die Liberalisierung weiterer Gebiete wie Gesundheit, Energie- und Wasserversorgung erzwingen. Da Lateinamerika nur in wenigen Bereichen – wenn überhaupt – konkurrenzfähig ist, werden wie in Mexiko die kleinen lokalen Firmen verschwinden und grosse amerikanische und multinationale Konzerne ihren Platy einnehmen. Freihandel kann ja durchaus sein Gutes haben, aber nicht zwischen Ländern mit so unterschiedlichem Ausgangspunkt. Ausserdem ist der Handel gar nicht frei. USA beharrt darauf, ihre Landwirtschaft mit 30 Milliarden Dollar zu subventionieren. Ausserdem wollen sie Einfuhrquoten in Sektoren aufrecht erhalten, wo die USA nicht konkurrenzfähig ist. Geht es hier nicht ganz klar um USAs Bestrebung, um über Lateinamerika zu dominieren?

Wachsender Widerstand auch in Skandinavien

Alca sollte im Laufe von 2005 in Kraft treten. Doch der Widerstand in Südamerika ist gross, viele Politiker aus der linken Ecke sind an die Macht gekommen. “Lula” in Brasilien ist als Gegner von Alca bekannt. Seit er Präsident Brasiliens ist, ist er vorsichtiger geworden. Er sagt lediglich: “Ich verhandle um Alca.” Das kann auch als ein schlauer Schachzug gedeutet werden, um Zeit zu gewinnen.

Auch in Skandinavien wächst der Widerstand. Schwedische Solidaritätsorganisationen organisierten vergangenen Herbst einen mehrere hundert Kilometer langen Protestmarsch nach Stockholm. Die Lateinamerikagruppen in Norwegen, an vielen Orten unterstützt von Attac, veranstalteten am 26. April 2002 einen landesweiten Aktionstag mit Informationsständen, Musik und Theater. Es ging dann auch darum hinzuweisen, dass es Alternativen gibt zur von Grosskonzernen gesteuerten Globalisierung. Dass Handel nicht ein Ziel in sich selbst sein darf, sondern ein Mittel für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung.


MEHR DAZU

Für eine gerechte Globalisierung – über das Phänomen Attac (eigener Text, 3.8.02)

Frequently Asked Questions About the Free Trade Area of the Americas (FTAA) (globalexchange.org)

The Mexican Farmers’ Movement: Exposing the Myths of Free Trade (americaspolicy.org, März 2003) / Why Mexico’s Small Corn Farmers Go Hungry
(globalexchange.org/New York Times, 3.3.03)

FTAA – Ordinary people join in protests
Many who don’t fit the usual definition of demonstrators have joined the trade talks protests, (The Miami Herald, 20.11.03)

Kontinent gespalten: Lateinamerika wirft USA Agrarprotektionismus vor. Mercosur-Staaten drohen, Handelszone zu sabotieren (taz, 4.11.02)

Mercosur-Abkommen stoppen
Vor einem Jahr kündigten Bolsonaro, Macri, Macron und Merkel den „größten Wirtschaftsraum der Welt“ an. Doch aus dem Abkommen wird wohl nichts (taz 3.7.2020)

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