Gespräch mit Kron am 13. Januar 1999 im Jugi Gundeli

Kron ist Sprüher. Er ist mir im Jugi Gundeli als einer der besten Basels vorgestellt worden. Er ist viel unterwegs, deshalb war ich froh, einmal mit ihm abmachen zu können. Um das Jugi herum sind an allen Wänden Graffitis zu sehen. Freien Raum gibt es nicht mehr. - Übersprühen darf man nur, wenn man qualitativ besser ist, erklärt mir Kron, nachdem ich ihn gebeten hatte, mir ein paar Graffitis zu erklären. - Man sieht gut, wer schon länger dabei ist, sagt er. Man kenne sich in der Szene, die gut 100 Writer umfasst. Kron ist stolz über die Qualität der Basler-Graffiti-Kunst. Sie sei in Basel höher als in Zürich. Er zeigt auf ein Werk in der Wand mit einfachen schwarz-silbrigen Linien.


Kron - Das ist Streetbombing, wie sie es in Zürich machen. Kein Style, das ist nur billig. Und alle machen das nach. Sie benutzen Unterbodenschutz- und Teerspray. Kennst Du die Line in der Zugeinfahrt zum Basel SBB? Hin- und zurück ist auf zehn Kilometer alles voller Graffitis. So etwas gibt es nicht in Zürich. Das ist alles illegal nachts gesprüht worden. Das ist Qualität. Niemand traut sich, es zu zerstören. In ganz Europa ist die Line bekannt. Sprüher kommen von weither, um sie sich anzuschauen. Das ist die Hall of Fame!
Was ist eine Hall of Fame?
- Ein Platz, wo aufwendige Bilder hoher Qualität entstehen.
Wo gibt es in Basel noch Halls of Fame?
- Am Gartenbad Bachgraben. Sie ist legal. Dann noch am Schänzli (St.Jakob). Die Qualität ist da aber nicht so hoch. Ein Problem in Basel ist, dass es nur wenige legale Wände gibt. Man muss illegal sprühen.
Seid Ihr zumindest an manchen Orten geduldet?
- Jetzt ist es extrem. Die Polizei macht Razzias daheim bei Sprühern, bei Anti-Graffiti-Kampagnen (Color Peace), wo sie uns an ein paar Tagen freie Wände in St.Jakob gaben, wimmelte es von Polizisten, die schauten, wer da zum Sprühen kommt. Sprüher werden kriminalisiert, da reichen Gerüchte. Das ist richtiger Psychoterror. Man darf die Wände nicht mal selber überstreichen wie in anderen Städten. Man muss die vollen Kosten zahlen, 10'000 Franken für eine Wand, dazu Gerichtskosten, Bussen. Manche kommen in den Knast.

Man wird kriminalisiert. Das erzeugt natürlich Gegengewalt. Graffiti kann man nicht verbieten. Graffiti ist Kunst. Das Problem ist, dass es keine legalen Wände gibt.
Eine dumme Frage. Warum müssen denn Graffitis unbedingt draussen sein?
- Im Stucki hatten wir drinnen gesprüht. Ich wäre froh, wenn wir drinnen sprühen können, gerade im Winter oder wenn es regnet. In Paris haben wir auch in alten Lagerhallen gesprüht.
Aber dann kann ja niemand die Bilder sehen. Ist das nicht wichtig, dass man sie sieht?
- Ich mach sie für mich. Wen die Bilder interessieren, schaut sie ohnehin an.
Bist Du schon mal erwischt worden?
- Ja, einmal ganz übel. Ich bin wie ein Einbrecher verfolgt worden.
Wie kommst Du ins Bahngelände?
- Es gibt genug Eingänge.
Arbeitest Du ganz nah an den Schienen?
- Meist ist um die vier Meter Platz. An der engsten Stelle eineinhalb Meter. Es ist noch nie einem Sprüher etwas passiert.
Sprühst Du auch in anderen Städten?
- Ja, besonders im Sommer bin ich an fast jedem Wochenende woanders: in Bern, München, Stuttgart, Heidelberg, Lörrach, Freiburg, Paris, Zürich, Genf, Biel, Bern, Luzern. Ein gutes Feeling. Man trifft Kollegen, ist viel auf Besuchen.
Wie sind die anderen Städte zum Sprühen im Vergleich zu Basel?
- In Frankreich ist Graffiti verboten. In Paris sind sie in der Banlieu geduldet. Es gibt keine legalen Wände, wir sprühen in halb abgerissenen Häusern und Fabrikgebäuden. In Heidelberg gibt es ein paar Wände, in Genf gibt es viele geduldete Wände, aber da sprühen nur wenige. In Basel ist es schon extrem mit der Line. Da kommt keine andere Stadt heran. Die Basler nehmen das Sprühen ernster. In Genf sprühen sie eher just for fun. Was sie in einem Jahr sprühen, sprühen wir in einem Monat. Viele sind auch älter, so zwischen 20 und 30. In Deutschland himmeln die Jüngeren die Stars oft an. So etwas gibt es in der Schweiz nicht. Die Sprüher an der Basis nehmen es ernster. Deshalb kommen viele aus Deutschland gerne in die Schweiz. Sie sagen, "Ihr habt die richtige Einstellung".
Gibt es im Sprühen auch Battles?
- Das geht via Übersprühen. Das pusht an. Das lässt sich auch nicht wie Breakdance kommerzialisieren.
Bekommt Ihr ab und zu Sprüh-Aufträge?
- Es gibt nur wenige Aufträge, das ist in Deutschland besser. Die Medien haben die Lage noch verschlimmert. Die Leute trennen nicht zwischen guten und schlechten Bildern. Sie werfen alle jungen Leute in einen Topf. Graffiti ist für mich keine Kunst, sondern eine Ausdrucksform. Graffitis sprüht man eigentlich nicht auf Leinwand und stellt es in Galerien aus. Graffiti ist nichts anderes als seinen Namen zu schreiben, sich mit Buchstaben auseinander zu setzen.
Und wie verhält es sich mit diesen Bildern da (zeige), den Eiffelturm zum Beispiel?
- Das ist ein Character. Beim Graffiti schreibst du nur deinen Namen. In den 60er- und 70er-Jahren hat das angefangen. Der Mensch hat schon immer ein Bedürfnis dafür gehabt. Man ritzt seinen Namen in einen Baum ein zum Beispiel. Man möchte raus aus der Anonymität.
Was meinst Du damit?
- Man möchte zeigen, dass man etwas erreicht hat. Ich habe etwas gemacht, ein Ziel verfolgt. Ich habe etwas gemacht, was nicht alle können. Wir distanzieren uns von den normalen Leuten, vom Konsumentsein. Für mich ist das Selbstbestätigung. So hat das angefangen. Man schreibt, ich war hier: Das sind Tags. So hat es sich weiterentwickelt, dass Bilder daraus wurden. Heute ist man soweit, dass grosse Bilder mit einem Sinn dahinter entstehen.
Zum Beispiel?
- Im St.Jakob hab ich mit Sprühern aus Paris ein Konzeptbild über Helloween gesprüht. Wenn man hinschaut, sieht man die ganze Geschichte des Festes, wie die Leute feiern und so weiter.
Du sagst, Graffiti sei keine Kunst. Was ist Kunst für dich?
- Kunst ist Geld, Ausverkauf, Art, Gallerie. Graffiti macht man auf der Strasse. Natürlich macht man Graffitis auch auf Leinwand, das habe ich auch schon gemacht. Da kann man besser experimentieren.


Kron zeigt mir gute und wenige gute Graffitis, Pieces. Gute wirken sehr dynamisch, haben Perspektive, man meint, sie seien lebendig und könnten jeden Moment davon springen. Bei den weniger guten sieht man, dass der Sprüher nicht ganz frei, etwas verkrampft war.

- Man muss lernen, mit den Farben umzugehen. Hier, sieh, blau und grün sind Farben, die nicht gut zusammengehen. Aber dieser Sprüher hat geschafft, eine Wirkung damit zu erzielen. Toll!
Haben die Bilder eine Botschaft?
- Sie sind Selbstdarstellung. Writing My Name. Sie drücken die Gefühlslage des Writers aus. Ich kann genau sehen, dem geht es heute gut oder der hat gerade eine schlechte Phase. Früher hat man manchmal Messages reingeschrieben. Stop The Violence oder so. Heute weniger. Es stehen eher Widmungen oder Provokationen drin. Aber jeder kann die Bilder anders sehen.
Wie bist Du auf Deinen Namen Kron gekommen?
- Der erste Dosenhersteller hiess Krylon. y und l hab ich weggelassen. Es hat auch etwas mit Krone zu tun. Das bedeutet "höheres Niveau", ist aber auch stachelig und aggressiv. Ausserdem gefallen mir einfach die Letters.
Bist Du Einzelgänger oder arbeitest Du in einer Crew?
- Ich bin in mehreren Crews, in Paris auch.
Haben sie auch Namen?
- Ja. CM (can monster), DFB (Da Force Brothers), CP (Cercle privé) in Paris und Métissage (Mischling), eine Organisation in Paris, die Workshops organisiert.
Wie alt bist Du?
- Ich werde 24.
Wie bist Du zum Hip-Hop gekommen?
- Ich habe schon mit neun Jahren angefangen. Mit Tanzen. Im St.Johann haben Leute auf der Strasse getanzt. Ich habe Hip-Hop nicht über das Fernsehen kennen gelernt. Ich bin hineingewachsen. Einer war mal in New York und hat davon erzählt. Ich kannte nur das. Er tanzte wie ein Roboter, und ich habe es auch probiert. Am Anfang war es nur Spass. Als ich 13 war, habe ich ernst gemeint mit Breakdance und habe auch zu sprühen angefangen. Dann hatte ich mal einen Autounfall, danach konnte ich nicht mehr tanzen und sprühe nur noch. Eigentlich macht man im Hip-Hop nicht nur eine Sache, sondern setzt sich für alle Elemente des Hip-Hop ein.
Wie hast du dich über Hip-Hop informiert?
- Ich habe Leute gefragt, die schon länger dabei waren und mehr Erfahrung hatte. Ich war sehr neugierig und bin auch selber nach New York gegangen.
Bist Du zufällig in der Hip-Hop-Szene gelandet?
- Nein. Hip-Hop ist eine Bewegung der Unterschicht, von Leuten ohne Arbeit. Früher waren es hauptsächlich Italiener, Spanier und Jugoslawen. In New York waren es die Puerto-Ricaner. Kreativität sollte Schlägereien verhindern.
Hast Du Dich ausgegrenzt gefühlt?
- Man war ja eh unter sich. Viele suchten eine Identifikation.
Wie meinst Du das?
- Sie wollten etwas sein, wollten etwas machen, was Sinn gibt. Hip-Hop gab vielen, was sie nicht hatten. Selbstbestätigung zum Beispiel. Stolz, Mut. Du kannst etwas erreichen, wenn Du willst. Viele hatten Stress zu Hause. Nach der Schule wussten wir nicht, was wir machen sollten und haben uns gelangweilt. Ich hab das auch alles durchgemacht. Wir sind aufgefallen mit der Kleidung, damals lief ja kaum jemand mit Jeans und Turnschuhen herum. Ab und zu haben wir uns in Jugendtreffs getroffen, aber nur abends. Tagsüber haben wir das Radio mitgenommen und auf der Strasse auf Kartons getanzt oder im Park.
Kannst Du noch mehr über die Geschichte erzählen? Wann hat es in Basel angefangen?
- In der Line ist 1983 das erste Bild entstanden. Ich glaub, es hiess "Sky", es war (qualitativ) der Zeit angemessen. Damals konnte man nicht so viele andere Bilder sehen und kam nur mühsam voran.
War es das erste Graffiti in Basel?
- Nein, das erste Bild 1981 wurde am Schulhaus St.Johann gesehen. Das hat Zone gemalt. Er malt nicht mehr.
Kennst Du noch Namen der ersten Writer?
- Joe (Arsen), Posk, Rebell.
Am Anfang war Hip-Hop es ein Verzweiflungsschrei. Wir wollten uns nicht ans System anpassen, wollten nicht nur konsumieren. Wir wollten sagen, uns gibt es auch noch. Wir wussten nicht, was wir machen sollten.

Es war schon extrem früher. In den Jugis trafen sich Leute aus zerrütteten Familien. Man hat Zusammenhalt gesucht, den es in der Familie nicht gab. Viele Jugendliche sind geflüchtet von den Problemen zu Hause, wollten ihre Ruhe. Manche hatten Eltern, die Alkoholiker waren. Die Eltern sagten dann, mit den Leuten darfst du nicht `rumhängen. Viele in der Szene sind nicht aufs Gymnasium gegangen, stammen auch nicht aus reichen Verhältnissen.

Jetzt ist es in den Jugis viel gemischter, es sind auch mehr Schweizer darunter. Jetzt ist Hip-Hop multikulturell. 1993/94 gab es einen Boom, Hip-Hop wurde Mode. Wenn man früher nach Rap-Platten fragte, ist man sonst nur komisch angeschaut worden. Viele haben ihre Platten in England oder in den USA eingekauft. Es gab keine Infrastruktur.

Hip-Hop ist eine Lebensart, die prägt. Eine Sucht, eine Droge. Man kann es nicht stoppen. Es ist nicht nur ein Hobby. Bist du damit aufgewachsen, nimmst du es ernst und verzichtest auf anderes. Ein Problem ist, dass Leute aus dem Kern nicht auffallen. Die Kleider, die Mode gehören nicht zum Hip-Hop. Ich habe nur das an, was bequem ist.

Hip-Hop hat viele von uns schneller erwachsen gemacht. Wir sind selbständiger geworden, kritischer, schauen, was für einen selbst gut ist. Man lässt sich nichts mehr gefallen, jammert nicht nur herum.
Manche betreiben sogar eine eigene Plattenfirma und sind Veranstalter von Jams und Konzerten.
- Ja, wir wollen etwas erreichen und nicht nur konsumieren.
Aber was ist mit denjenigen, die es nicht schaffen, gut zu sein?
- Es geht nicht darum, gut zu sein. Du musst Ehrgeiz haben.
Kann es sein, dass diejenigen, die es nicht schaffen, rumschlägern, um sich Respekt zu verschaffen?
- Hm. 1993 als Hip-Hop-Mode wurde, gab es immer wieder Gewalt auf Jams. Sprühen ist das Element, das am härtesten ist. Die Jungen sehen nicht, was auf sie zukommen kann. Wir hatten ja eh Stress, was kannst Du da verlieren, dachten wir. Die Reicheren wollen nicht soviel riskieren. Der Stress hatte uns auch stark gemacht. Ich denke, es gibt auch deshalb die Konflikte. Die Jungen nehmen alles für selbstverständlich hin, was wir erst hatten erarbeiten müssen. Wir sind in Hip-Hop auf der Strasse hineingewachsen und nicht in der Schule.
Breakdance im Sportunterricht gibt es ja sogar.
- Das gehört nicht in den Sportunterricht. Für die Schüler ist Breakdance dann nur Sport. Es wird nicht mehr wie früher darauf geachtet, dass alle Elemente des Hip-Hop vertreten sind. Man achtet nicht mehr aufs Ganze. Bei der Battle of the Year zum Beispiel. Früher waren alle Elemente vertreten. Der Eintritt war nicht teuer, wenn jemand von weither kam, musste er gar nichts zahlen. So was geht jetzt nicht mehr. Jetzt sind da MTV und Viva. Früher kam gar nicht jeder rein in einem Jam. Es war ganz normal, dass man gebreakt hat. Heute staunen dann alle "Wow".
Warst Du an Black Tigers Birthday-Jam?
- Ja. Das waren alle Elemente vertreten. Das war der geilste Jam seit langem. Alle haben sich gekannt, sie sind wegen Black Tiger gekommen. Es war wie in einer Familie. ACE veranstaltet ab und zu im Z7 Jams. Da sind auch alle Elemente vertreten. Wir kennen uns schon lange, wir sind Nachbarn.


Zur Zeit unseres Gespräches gab es Pläne, im Rahmen der Neugestaltung des Bahnhofs SBB, eine Umgehungsstrasse über das Gelände des Jugis zu bauen. Ich spreche ihn darauf an.

- Wenn sie die Strasse bauen, landen wir auf der Strasse. Da ist Stress vorprogrammiert. Jetzt sind wir hier für uns, gut eingekesselt. Man trifft sich hier und redet, besonders im Sommer, wenn alle vom Ausland zurück sind. Alle sind zusammen, wir spielen Basketball. Jetzt wollen sie das abreissen? Das Haus ist eh das Minimale. Die Stadt hat doch Geld, nur für die Jugend wird nichts ausgegeben.
Wie ist denn die Stimmung unter den Jugendlichen?
- Schlecht. Sie denken, die da oben machen doch was sie wollen, dass Jugendliche eh nichts zu sagen haben, am kürzeren Hebel sitzen. Da oben sitzen nur alte Leute.
Zurück zu Dir. Arbeitest Du?
- Ich habe zwei Jahre als Autolackierer gearbeitet. Jetzt arbeite ich temporär als Industrielackierer.
100%?
- Ja, in zwei Schichten, um die 40 Stunden die Woche.
Nebenher gehst Du Deinen Graffiti-Aufträgen nach...
- Ja, das sind aber nicht viele. Etwa 20 im Jahr. In Deutschland bekommt man mehr. Viele können davon leben.
Hast Du schon Aufträge aus Deutschland bekommen?
- Ja, zum Beispiel einmal von Hertie in Lörrach, von der Inlineskate-Abteilung. Ich hab mich schon gefragt, ob ich nach Deutschland ziehen sollte. In der Schweiz kann man nicht vom Sprühen leben. Ich bin wegen Aufträgen viel gereist.
Wohin?
- Regelmässig bin ich in Deutschland an der Grenze: Lörrach, Weil und in München. Ab und zu bekomme ich Aufträge in Paris. Eine Hip-Hop-Organisation macht da Workshops und so eine Art Projektwochen mit Hintergrund über Hip-Hop.
Wie kommst Du an die Aufträge?
- Ich werde weiterempfohlen von Kollegen. Oder Kollegen, die einen Auftrag bekommen haben, melden sich bei mir und sagen, "Teilen wir die Kohle". Aufträge bekomme ich von grossen Firmen aus Industrie und Chemie zur Gestaltung ihrer Fassaden. Ich hab auch schon bei einer Kleidermesse von Nike gesprüht.
Sprühst Du für jede Firma?
- Ich schaue schon - wenn ich denke, der Auftrag bringt mich weiter, klar. Für Dosenfabrikanten sprühe ich gerne. Nike ist auch gut - Sport. Ich muss malen können, was ich will.
Dein Job ist nur eine Notlösung?
- Ja, man ist ja vom Geld abhängig. Ich würde es lieber anders verdienen.
Was ist Deine Nationalität?
- Ich bin Spanier der zweiten Generation.
Was machen Deine Eltern?
- Mein Vater ist Mechaniker, meine Mutter Putzfrau im Kantonsspital. Arbeiterklasse halt. Meine Schwester arbeitet in der Bank.
Wie denken deine Eltern über Deine Aktivitäten in der Hip-Hop-Szene?
- Schlecht. Sie haben schon Skizzen von mir vernichtet. Sie sagen, du bist nur geduldet in der Schweiz, du darfst nicht auffallen. Meine Mutter hat aber mal einen Graffiti von mir gesehen und fand ihn ganz schön. Aber ich leb mein Leben wie ich will. Ich war nie der Bravste (lacht).
Woher kommen deine Freunde und Kollegen?
- Von überall her (Pause). Nationalität ist egal. Ich kann zwar mit manchen Religionen wie dem Islam nichts anfangen, aber es kommt auf den Menschen an. Der Kern der Szene ist gut gemischt.
Kannst Du ein paar Nationalitäten Deines Freundeskreises aufzählen?
- Spanien, Italien, Dänemark, USA, ein paar Schweizer, aus Ex-Jugoslawien, München, Paris, Algerien.
Lebst Du gerne in Basel?
- Basel ist zu klein. Es gibt nur eine Strasse (Steinen), wo am Samstag etwas los ist.
Woran fehlt es?
- An Räumlichkeiten, um etwas selber zu machen. Früher war es noch schlimmer. Da war Mitternacht alles zu. Jetzt gibt es ja sogar Nachtbusse. 1993/94 gab es eine Ausgangssperre für Jugendliche. Besonders auf Hip-Hopper hat es die Polizei abgesehen, auf Leute mit Turnschuhen und Kapuzenpulli. Das betraf alle unter 18 nach 23 Uhr. Es gab eine Schlägerei beim Hirschi.
Du bist ja immer viel unterwegs. Wo überall?
- Auf Hip-Hop-Jams in USA, Schweden, Italien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Dänemark, Holland, Griechenland. Wenn ich Ferien hab, schaue ich: Wo geht etwas Hip-Hopmässig ab?

Das Tolle: Ich war schon oft in Städten, wo ich niemanden kannte, wo ich nicht wusste, wo ich schlafen konnte. Es ist so einfach. Du triffst Leute und sie sagen "Penn bei mir". Hip-Hop schweisst zusammen. Es ist wie in einer Familie. Ich reise billig, es sind nur Fahrtkosten. Die Städte sieht man nicht wie ein Tourist. Man lebt in ihr, man ist gleich akzeptiert. Im Januar war ich in München. Ich traf Leute aus Australien, Moskau, Jugoslawien, die alle kein Geld haben, es zusammengerafft haben, um herzureisen. Sie waren bereit, Opfer zu bringen.
Bleibt da nicht der Beruf oder die Ausbildung auf der Strecke?
- Man muss es richtig einteilen. Ich mache es neben der Arbeit. In Deutschland war ich viel mit dem Wochenendticket unterwegs.
Surfst Du auch im Internet?
- Ein paar Kollegen machen es. Ich habe es mal bei ihnen probiert. Sollte ich mir vielleicht anschaffen?
Liest Du Hip-Hop-Zeitschriften?
- Nein, das ist mehr für die Konsumenten. Ich habe einmal ein Video gedreht über Breakdance und Graffiti und es an Jams verkauft.
Was planst Du für die Zukunft?
- Ich will viel reisen und mich verbessern. 100%ig werde ich wohl nie aufhören. Hip-Hop ist ein Teil von mir. Einen Teil hab ich Jüngeren schon weitergegeben, ein Teil von mir lebt also schon weiter. Ich werde sicher mal eine Familie gründen. Aber das sieht man dann noch. Ich lebe heute und morgen. Was nutzt es, wenn ich Geld für später spare, wenn es mir heute schlecht geht?
Haben wir noch ein Thema vergessen? Was sind Gesprächsthemen in der Szene?
- Die Jungen zeigen keinen Respekt mehr. Sie kaufen sich Klamotten und meinen, sie seien cool. Besonders die Älteren regen sich auf. Polizeistress. Es läuft fast nichts mehr in der Stadt deswegen.
Aber ist das nicht arrogant den Jungen gegenüber? Brauchen sie nicht Zeit zum Reinwachsen?
- Sie meinen, sie seien die Könige. Wir hatten damals noch Respekt vor den Älteren. Heute nimmt man alles für selbstverständlich. Ein Kollege schaltet sich ein:

- Das ist nicht nur im Hip-Hop so. Die Jungen sind alle frecher geworden. Das liegt an den Medien.

Kron:

- Sie wissen nicht über Hip-Hop Bescheid und geben nur an.

Kollege:

- Wenn man sieht, dass ein Junger etwas macht, wird er sofort akzeptiert. Nicht jedoch, wenn man sieht, dass er sich aufspielt und nur die Musik hört.
Es kann nun mal nicht jeder alles so gut.
Kron:

- Der Wille muss da sein.
Werden die Jungen denn eingeführt? Wie kommt man rein in die Szene?
Kollege:

- Das geht von selber. Man sieht Bilder von anderen und beginnt an sich zu arbeiten. Jeder, der etwas macht, ist drinnen. Entscheidend ist, ob man Hip-Hop nur aus den Medien kennt oder ob man in der Stadt ins Hip-Hop reingewachsen ist.

Kron:

- Es kommt auf den Charakter an. Was man macht, was man ist. Es gibt auch keine fixe Hierarchie. Entscheidend ist nur dein Ehrgeiz.



UPDATE:

Der Meister der Totenköpfe (Nach über 20 Jahren an der Dose präsentiert Kron mit «Still Standing» seine erste Solo-Ausstellung, Basler Zeitung 16.11.2012)

Interview mit Kron, wo man auch einige seiner Werke sieht, ab 5:30min. Video aus dem Jahr 2015.