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Inuit und die Arktis (7) - Gesellschaftsform und Schamanismus 
 Wie die Polar Inuit in Grönland sind die Central Inuit in Kanada egalitär organisiert. Sie kennen kein
                  Klansystem. Ueber die engere Familie hinaus gibt es keine festen gesellschaftlichen
                  Organisationsformen. Das ist bei den meisten Inuit so. Nur bei den Inuit an der Pazifikküste haben sich Hierarchien gebildet.
 
 Wie Jean Briggs für die Utki im Norden Kanadas schreibt, ist die
                  wichtigste Unterteilung "real family", "less real family" und "not real family".
                  Die Abgrenzung ist flexibel und variiert je nach Situation. Mit "real family"
                  bezeichnen sie alle, mit denen sie sich verwandt sehen. Diese Gruppe wird
                  auffälligerweise kleiner, sobald es um die Verteilung von Besitz geht...
 
 Respektpersonen sind Schamanen und die "Elders" - aufgrund ihrer in vielen
                  Jahren angesammelten Lebenserfahrung. Ihr Rat wird gerne eingeholt. Macht
                  übten sie jedoch keine aus. Die "Elders" wurden höchstens von den
                  Kolonialisten und später von der kanadischen Verwaltung in eine
                  institutionalisierte Führungsposition hinein gezwungen.
 
 Verwandtschaft wird etabliert durch (1) Geburt, (2) Verlobung und Heirat, (3)
                  Adoption (gewöhnliche Praxis); (4) Namensgebung (man "wird" die Person mit
                  jenem Namen und wird in dessen Verwandtschaftsnetz eingebunden).
                  Verwandtschaft wurde nach beiden Seiten gerechnet, mit einem Hang zur
                  Patrilinearität. Die Wohnfolge bei der Heirat war flexibel.
 
 Auch die Mitgliedschaft in Gruppen oder "tribes" wurde flexibel gehandhabt, da
                  innerhalb der zentralen Arktis viel umher gezogen wird. Viele Gesprächspartner
                  von Ethnologe Diamond Jenness hatten Mühe, ihre Heimat zu definieren. "Oh, I have
                  many homes", sagte einer und zählte auf, wo er überall war.
 
 Früher wurden Kinder bereits vor ihrer Geburt verlobt, Polygamie kam vor, gelegentlich
                  Polyandri. Scheidungen waren üblich solange man keine Kinder hatte. Manche
                  Frauen, so Rasmussen, gingen durch sieben, acht Heiraten, bis sie sich
                  endgültig bei einem Mann nieder liessen.
 
 Inuit sind keine grossen Anhänger von
                  Zeremonien, das gilt auch für die Heirat. Es war üblich, Frauen unter Freunden
                  aus zu tauschen.
 
 Teilen wird gross geschrieben. Rasmussen schreibt von komplizierten
                  Verteilregeln bei der Karibujagd. Derjenige, der die Beute erlegt hat, muss das
                  meiste davon den anderen abgeben. Er behält nur die Innereien, den Kopf, das
                  Fett des Vorder- und Hinterteils und nichts vom Fleisch! Es gibt Partnerschaften
                  zwischen Leuten, die einander besondere Teile des Tieres geben. Für die
                  Verarbeitung der Tiere sind die Frauen zuständig.
 
 
                   Schamanismus
Der Schamane ist der religiöse Anführer bei den Inuit. Oder eher war. Denn in
                  Gegensatz zu anderen Gebieten der Erde, wo dieses Phänomen vorkommt, hat
                  der Schamanismus bei den Inuit kein Revival erlebt. Ein Professor der
                  Universität Laval (Québec), ein Nicht-Inuit, hatte dazu aufgerufen, wieder
                  über Schamanismus zu reden. Er bekam einen Rüffel: Das müssten die Inuit
                  selbst entscheiden.
 Als Jean Briggs in den 1960er-Jahren über Schamanismus
                  forschen wollte, fand sie keinen Gesprächspartner. Seit den
                  30er-Jahren, schreibt sie, seien Inuit Christen und bekennende Anglikaner:
                  "Their shamans are all, in their view, either in hell or hiding."
 
 
 
 
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:INHALT INUIT UND DIE ARKTIS:
Teil 1: Wer sind die Inuit - ein Überblick
Teil 2: Inuit in Grönland und Polar Eskimo
Teil 3: Inuit in Kanada und Central Eskimo
Teil 4: Schutz gegen Kälte: Kleidung und Iglus
Teil 5: Transport: Hundeschlitten und Kayak
Teil 6: Wirtschaft: Atemlochjagd, Karibujagd, Jagd mit Kayak    
Teil 7: Gesellschaftsordnung und Schamanismus
Teil 8: Inuit am Pazifik
Teil 9: Inuit in Asien
:MEHR DAZU IM NETZ:
Nunavut film crew aims to record every Nunavut elder (An ambitious mission to put the legends and stories of every elder in the territory on video - Nunatsiaq News, 30.4.04)
Inuit Elders speak - Ageing and Cultural Diversity:
Über die "Elders" bei den Inuit  (niichro.com)
The 
  Legend of Sedna the Sea Goddess  (arctic.uoguelph.ca)
                  Einleitung von Eliades
                  Standardwerk über Schamanismus  (sacred-texts.com)
                  
Die 
              Arktis als Heimat - Religion  (Piers Vitebsky, thearctic.is)
Schamanismus: Außergewöhnliche Bewußtseinszustände
und Alternative Heilmethoden  (Stefan Pohlmann, Working Group Arctic and Subarctic)
Vegetable, animal and medicinal - Traditionelle Medizin  (Despite their tendency to rely upon animal-based materials, however, Inuit did possess reasonably extensive herbal knowledge - Rachel Qitsualik, rabble.ca, 30.10.03)
Traditionelles Wissen der Inuit  (auf Englisch, link neu 25.3.04)
 
links update: 12.4.04
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